Mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau zum Bajkal.
Warum tut man sich das an? An vielen Stellen haben wir uns das gefragt. Die Antworten kommen später, vielleicht, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall war es die richtige Entscheidung, diese Reise anzutreten. Aber der Reihe nach.
Moskau amerikanisch.
Wie viel Zeit braucht man, um Moskau zu besuchen? Die Antwort fällt individuell aus, wir mussten uns mit einem Tag begnügen. Nach der Ankunft in Domodjedovo schnell zum Hotel, etwas Essen und ab in die Stadt. Es wurde langsam dunkel und die Häuser wurde nach und nach beleuchtet. Die Stadt zeicht sich von ihrer allerbesten Schokoladenseite. Auf den Spatzenbergen ein kurzer Halt mit dem Blick auf die Lomonosov Universität, es wird langsam dunkel, unmerklich langsam. Eine Gruppe Autovernarrten stellt ihre getunten Autos zur Schau, einige schauen zu. Vorn an der Ballustrade.
Der Blitz im Auge
Beide schauen ganz besorgt.“Es könnte auch eine Netzhausablösung sein“, meint er zur Reiseleiterin. „Mein Arzt hat mir empfohlen in Moskau einen Arzt aufzusuchen.“ Der Mann schaut richtig betrübt und ahnt, dass die Reise für ihn vielleicht schneller zu Ende sein kann, als er sich das vorstellen kann. Und die Frau auch. Die Reiseleiterin kümmert sich. Am nächsten Tag muss er leider auf den Besuch des Kremls verzichten, die Kontrolle ist unumgänglich. Der us legt zur Standrundfahrt los.
Wie viel Zeit braucht man in Moskau?
Der Besuch der Kremls ist nun DAS einzige Highlight am Vormittag, die Fahrt mit der Metro ist das zweite Erlebnis. Zum Kreml kann man nicht viel sagen. Von Aussen sieht er durch die hohen roten Mauern recht imposant, innen überraschen uns die erhalteanen Kirchen mit schönen vergoldeten Kuppeln. „Pfeiffff … Pfeifff,Pfeifff ..!!“ Wer wagt es in Kreml vom Bürgersteig abzuweichen und die Zufahrtsstraße für die großen schwarzen Limousinen zu betreten! „Preifff, pfeifffffff“ . Endlich kapiert es der Touri und kehrt zurück auf den Bürgersteig. Wir haben den Eindruck, dass hier alles geregelt und überwacht wird. Die Männer mit den hohen Mützen wecken auf jeden Fall Respekt.
Die vielen Ikonen haben es in sich. Überall, wo man schaut, Ikonen und Ikonen. Seltsam, keiner traut sich zu fotografieren. Und es wäre so schön gewesen! Ganz besonders diese eine Ikone mit einem Heiligen, der aussieht, als ob er gerade eine Tonne Gras geraucht hätte. Der strenge Blick der Aufpasserin läßt mich den Gedanken vergessen, diesen heilgen Abzulichten. Und dabei sieht er so interressant aus. Quasi ein mona Lisa unter den Ikonen.
„17:47 haben wir den nächsten Halt in Novosibirsk!!“. Nun werde ich bei schreiben wieder unterbrochen. „Wie spät?, Moskauer Zeit .. nöö .. der dortigen Zeit … die Züge richten sich doch aber immer nach …“ JEder weiß es inzwischen, dass sich die Uhrzeit in den Zügen immer nach Moskauer Zeit richtet. „Füfzähn vor sächs simma da“. Nun ja, auch ich werde aussteigen und die nächsten Pflichtfotos vom Zug, Bahnhof, derm Zugpersonal, dem Arbeiter, wie er mit einem Hammer die Wagonräder abklopft, der Frau, die das Trinkwasser mit einem dicken Schlauch in die Waggons pumpt.
Zurück zum Kreml. Es es recht heiß, als wir den Kreml verlassen. Jetzt kommt der vielleicht spannendste Teil des Tageprogramms. Eine gewisse Anspannung kann man sowohl „unserer Chefin“ als auch den Reisegruppe anmerken. „Hauptsache keiner verliert die Gruppe“. Diese Horrorvorstellung treibt den Puls Einiger in die Höhe, Lesen kann man nichts, reden kann man nichts, sehen kann man unter der Erde auch nichts und der Zug zum Bajkal fährt in knapp zwei Stunden los. „Also bitte daran denken und nicht verlieren. Können Sie bitte als letzter gehen?“ Wer wird den gemeint, ich? Natürlich, für die Chefin ist es vielleichter die Gruppe zu kontrollieren, wenn sie den Gruppenschwanz im Auge behalten kann. Natürlich nicke ich zu und stelle mich demonstrativ hinter die Gruppe.
Das Passieren des Eingangskreuzes klappt ohne große Schwierigkeiten, nur einige haben Probleme „einer nach dem Anderen“ durchzugehen. Jetzt ist es bald so weit. „Verteilt euch auf dem Bahnsteig, so dass alle mitkommen. Wir fahren nur eine Station“. Der Zug rollt an, die Türen gehen auf. Irgendwie kennen wir diese Bahnen … aus Prag. „Okoncete vystup a nastup, dvere se zaviraji“ Es ertönt dieselbe Ansage, nicht in Tschechisch sondern auf Russisch natürlich, ergänzt mit dem wertvollen Hinweis, man möge Älteren und Schwangeren freiwillig – wenn nötig – einen Sitzplatz anbieten. Ein junger Mann vor mir steht auf … bestimmt nicht wegen mir.
„Meine Damen unnd Herren, lasst sie bitte Aussteigen!“
Alle haben den Einstieg geschafft. Jetzt nur nicht den Aussteig verpassen.
Gelungen.
Ich nutze die wenige Zeit, die uns in der Metro bleibt zum Fotograieren. Die HDR Fotos verlangen aber nach einem Stativ, also schnell Aufbauen, keinen behindern .. Klack, klack, klack, klack, klack. Fertig. Diese Gänge sehen später bestimmt schön aus, und verwaschenen Leute geben wenn man Glück hat dem Bild den letzten Schliff. Ansonsten wüßte ich nicht, wie man dieses Gerenne, Hektik und Lärm mit einer Kamera einfangen kann. Alle sind froh, unsere Chefin wieder zu sehen. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass wir bitte eine faire Chance den Austeigenden zum Verlassen des Waggons geben sollten.
Das Ganze wiederholt sich noch drei vier Mal, wir besichtigen die Metro in einem Eiltempo. Klack, Klack, klack, klack, klack … Fertig. Bestimmt coole Aufnahmen, denke ich.“I kde vase rasresenie?“ Sowiel verstehe ich. Der Mann in Uniform verlangt nach einer Fotoerlaubniss. Kein wunder, mein Stativ sieht vielleicht doch zu professionell aus und brachte mich auch diesmal in Schwierigkeiten. Schnell „verstecke“ ich mich hinter die schützenden Worte unserer Guide, wohl verstehend, dass ihr gerade versucht wird den Kopf abzureisen. Der Mann läßt uns in Ruhe, meine Fotos sind im Kasten, der Kopf der Chefin noch dran, ich gelobe Besserung in der Metro nie Wieder Fotos vom Stativ zu machen. Jetzt verstehe ich auch, warum ich bei einem meiner Lieblingsmotive „Rolltreppe“ die Aufmerksamkeit der Polizei geweckt habe. Ich war jedoch schneller. Klack, klack, klack, klack, klack.
„Hier nicht!“
Die Frau und der Mann wehren sich. Sie haben sich das Viererabteil mit einem saftigen Aufpreis zur Nur-2-Mann-Nutzung erkauft.
Vierer-als-Zweier oder Ätzch-ich-habe-das-Geld-um-diesen-Zuschlag oder Ich-muss-doch-so-oft-nachts-raum-verstehen-Sie. Wir verstehen und machen Witzchen, dass wir noch öfters rausmüssen. „Hier nicht rein, zeig mal den Voucher“. der Mann versucht uns mit dem Stück Papier zu überzeugen.
Wir glauben ihm. Nun soll der Zug aber in 10 Minuten abfahren und wir haben kein Bett. Also zur Alja. Alja ist unsere neue Chefin und nicht da. Zwei Runden durch den Waggon, auch draussen ist sie nicht. Der Zug fährt los. Ein Geschnattere überall, alle sind aufgeregt. Gegenseitig entschuldigt man sich für die Abteil-Tauschereien, die zu einem Wirrwarr und Durcheinander geführt haben. Es gab also diejenigen, die einen ZWeier reserviert haben, die Schlaueren haben es vor Ort direkt maö beim Guide mit einem „Wenn es irgendwie möglich ist bitte einen Zweier“ und dann gab es uns, den Rest, der einfach abgewartet hatte, was ihm zugeteilt wird. „Ich werde mich beschweren“ eine erneute Attacke, meine Frau bleibt aber ruhig, wir warten also auf Alja.
Sie kommt und die Erklärungen und Überzeugungen gehen von vorn los. Eigentlich sind wir heilfroh, dass wir zwar kein Bett haben, hier hättes es uns bestimmt nicht Spaß gemacht. Alja telefoniert. Es steht fest, dass irgendwo ein Fehler passiert ist. Alja sucht nach einem Ausweg und bietet an, mit ihr die Kabine zu teilen. Wir freuen uns, da sie uns keinesfalls unsympatisch ist. Schnell sind die Plätze verteilt und alles ist wieder schön.
Das Bier kostet aber nur 100 Rubel!
Im Speisewagen ist es sehr heiß aber doch gemütlich. Die ganze Gruppe schlürft die Suppe und lechtzt nach kalten Getränken. Fehler! Schnell werden die Bierdosen für bierwillige verteilt, es gibt viele Sorten. Das Essen schmeckt, alle kommen nach der Metrofahrt und der mühsamen Bettbeschaffung wieder runter. Der Kellner kassiert das Bier ab, Alja dolmetscht, die ersten Zahlen. Die Zahl von 130 Rubel pro Büchse Bier macht die Runde. OK, es sind etwas mehr als drei Euro. Wenn da aber nicht die Speisekarte gelegen hätte und wenn Einige nicht den Preis für die ihnen zugeteilte Büchse dort nachgeschlagen hätten. Es gab etwa 12-15 Sorten Bier auf der Speisekarte und das zu unterschiedlichen Preisen. Nun kann es unsereiner nicht so leicht ertragen, wenn man ihm so offensichtlich mehr Geld als nötig aus der Tasche ziehen möchte. Wir auch nicht … und lassen uns auf das Spiel ein und beobachten den Ausgang. Die Meisten legen das verlangte Geld auf den Tisch … nichtsahnend. Die schlaueren legen sich mit dem durchaus freundlichen Kellner an. „Die Speisekarte hat falsche Preise“. Aha. Das ist die Erklärung. Wir treiben das Spielchen weiter und zahlen unsere 100 Rubel bei der Oberkellnerin. Ganz einfach. Zwei ausgetrunken Flaschen mitbringen, zwei Flaschen vorzeigen, einmal auf den Preis in der Karte zeigen, Russich „Sto Rubljej“ von sich geben und augenzwinkernd den Betrag auf den Tisch legen. Es geht doch. Wie Sieger verlassen wir den Speisewagen.
Die Dusche mit WLAN
Die Gäste sind entsetzt. „Unsere BEkannten haben so eine Reise gemacht, und da war alles drin, auch die Dusche“. Falsch gebucht oder nicht vorher genug gelesen. Ein Zug ist nicht gleich Zug. Es gibt welche mit Duschen, da seid ihr hier definitiv falsch. Tut uns leid. Die Gesichter bemühen sich das Entsetzen zu verberbergen, erfolglos. „Das Motto diese Reise ist nicht Geniessen sondern Überleben“. Dumm war mein Spruch und die Gesichter verfinstern sich noch mehr, fragende Blicke von ihr zu ihm und umgekehrt. Nachdem der erste Schock überwunden ist, kommt der zweite… Die Frage nach den Waschräumen hätten Sie lieber nicht stellen sollen. Zumindest nicht jetzt, solange das Essen noch schmeckt.“Es gibt keine“ oder „Es gibt doch einen“. Man kann es sich aussuchen. Wenn man die Augen zumacht und nur das kleine Waschbecken un den Abflußloch im Boden im Auge behält, kann man von einem Waschraum ausgehen. Vorausgesetzt man findet eine MEthode, wie man das Wasser durch Drücken der Wasserhahnunterseite entprechend hinausbefördert, und möglichst sich und nicht „den Waschraum“ nasspritzt. Oder man konzentriert sich auf die Edelstahltoillettebecken und vergisst das Waschbecken – dann ist es doch eine Toilette.
Später erfahren wir von einer Möglochkeit zu duschen. Die Eimermethode.
Man nehme einen halben Eimer heisses Wasser aus dem Samowar, verdünnt es mit etwas kaltem Wasser und lege 100 Rubel bei Aljona, der Waggonbetreuerin auf den Tisch. Alja hat es gemacht und es war wohl toll. Als sie aber am Tag drauf denselben Eimer im Wischeinsatz bei Aljona gesehen hatte, wurde es ihr anders.
Dann haben wir noch Witze über angebliche Duschkabinen mit Internetzugang gerissen, alle waren jedoch inshegeim gespannt, ob die Toiletten wirklich eine halbe Stunde von einem Halt und nach einem Halt abgeschlossen werden… Was für eine Harte Probe.
Die Zweischlüssel-Gesellschaft
Manche sind schlauer als andere oder wollen dies auch wenn möglich mehrfach zeigen. So wird der mitgebrachte Dreikant oft zum Beweis dieser Fähigkeit gezückt. Wir nutzen diese Dienstleistung zum Abschliessen des Abteils gern.
Die Entschleunigung
„Sie kennen sich doch damit aus“. Wie jetzt? Woran erkennt man mir, dass ich mich iPads auskenne? „Wie komme ich hier an meine Emails?“ ICh schaue mich um und sehe nur Birken. Birken, Tannen, Pappeln oder Birken. Emails und Internet kann ich mit dieser Umgebung definitiv nicht assoziieren.“Ich habe das Rooming doch aufgemacht“,sagt der an mit dem Blitz im Auge. Ich fange ein GEspräch über den Sinn und unsinn dieser Reise und und erwähne das aktuelle Modewort „Entschleinigung“. Damitg habe ich voll ins Schwarze getroffen. Es entschildigt sich beinahe für die Frage und es ist ihm sichtlich peinlich mitten in Nirgendwo kurz vom Ural seine Mails checken zu vollen.“Wir wollen unsere Kunden nicht enntäuschen und unsere Tochter ist noch nicht soweit.“ Na dann bleib halt daheim, denke ich ganz böse. Dann hast Du auch keine Blitze im Auge mehr. Irgendwie gelobt es Besserung, macht sich selbst auch die Suche nach einer funktionierenden Internetverbindung. Ich verstehe ich vollkommen, vielleicht täte er besser diese Kostbare Zeit anders zu Nutzen. Wozu ist er eingentlich da? Ja, diese Frage werde ich mir und anderen oft stellen, später mehr dazu.
Ein Glas Milch
Heute morgen haben wir den Mut zusammengenommen und Alja, unsere Chefin, nach Angarsk gefragt. Zu Hause haben wir eine Reportage über Angarsk gesehen. Eigentlich haben wir uns Aufnahmen gewünscht, die uns auf den Aufenthalt in Sibirien nett einstimmen. Nun war dem aber nicht so. In Angarsk soll seite Jahren Atommüll gelagert werden. Ehrlich gesagt, es wurde es uns schon ganz anders … und da haben wir nicht einmal gewußt, dass wir diese Stadt – wenn auch kurz – auf der Durchreise besichtigen werden. Irgendwann habe ich bei Google Earth nachgeschlagen und die Reihen mit dem Atommüll sehen können. Und wie der Zufall so will, wohnt unsere Reiseleiterin seit Jahren in Angarsk, ist selbst sehr krank, hatte Ihren Mann und seine drei Brüder an den Krebs verloren. Das war für uns ein Hammer, es war uns irgendwie peinlich typisch deustch alles besser wissen zu wollen. Das waren doch keine Zufälle. Wir reden mit Alja über den Wert des russischen Lebens, streifen die Themen vo Tschernobyl und Kursk. Eigentlich mach man es nicht über Politik und solche Themen mit dem Reiseleiter zu sprechen, Alja stört es aber nicht und die Unterhaltung ist seht interessant.
„Aljona ist die Beste!“
Die Tür geht auf, ein scheinbar Eisenbahnangestellter steht mit der Aljona in der Tür. Wir werden gefragt, ob alles zur unseren Zufriedenheit läuft. Was bleibt uns zu sagen. Die Aljona – unsere Aljonocka – kümmert sich um uns sehr gut. Sie läßt uns den Zug nicht verpassen, macht täglich unsere Höllen sauber und nun steht sie mit dem Mann mit einer ersten Miene und warten was kommt. „Aljona ist einfach super“ und beide Daumen zeigen nach oben. Klar, wir hätten es bestimmt auch auf Russisch geschafft, dazu war aber die Überraschung zu groß und wir wollten unserer Aljona definitiv eine gute BEwertung abgeben. Der Zugchef zuckt keine Miene, dafür strahlt aber die Aljona.
Slavische Herkunft
Am zweiten Abend saßen wir mit der „Cheffin“ uns in unserem Abteil gegenüber und wußten hatten uns irgendwie viel zu erzählen. Es hat uns schon leidgetan, dass Alja mit einer ernsthaften Erkrankung kämpft, so haben wir wechselseitig unser Abteil zu einer Krankenstation erklärt und uns gegenseitig unser Leid geklagt. Da fiel mir ein, wir reisen nicht allein. Zwei Flaschen von einem in Moskau angeschafften Wodka unbekannter Herrkunft und Geschmacks belasteten unser Koffer und wollten ans Tageslicht. Die Flasche war schnell aufgemacht und der erste Schluck gekostet. Mooooment. So schnell geht es aber nicht, mein Alja. Der Trinkspruch fehlt.“Wer alleinund ohne einen Trinspruch trinkt istbei uns ein hoffnungsloser Alkoholiker“ meintt Alja und wir suchen gemeinsam nach einem passenden Trinkspruch. Wir haben lachend vereinbart die Gesundheit immer zu implizieren .. also immer zu inkludieren .. also immer im Trinkspruch zu beinhalten, auch wenn wir sie nicht explizit(!) erwähnen. Alte Germanisten verstehen sich auch hinter dem Ural.
Der Wodka schmeckt.
Wir geniessen die zweite Runde aus den IKEA Plastebechern und da meint Alja:“ Romaaaaan, man merkt, dass du slawischer Herkunft bist.“ Ich fühle mich geehert und überlege, ob es an der eingeschenken Wodkamenge oder an meinen Augen liegt.
Der Geheimpolizist
Beinahe habe ich mich in meinen Croks auf den Gleisen hingelegt, als ich das Rufen von einem Fremden gehört hatte. Der Zug machte gerade eine Pause und mich lockten die geraden Gleise nebenan sowie der danabenstehender superlanger beladeren Güterzug. Klack, klack klack klack klack. Die Aufnahme ist im Kasten, ich will eine neueEinstellung probieren und werde durch einen Zwischenruf gestört. Meine FRau ist es und zeigt auf einem Mann, der sich offensichtlich daran stört, was ich so an den Gleisen anstelle. Eigentlich hätte es ihm egal sein können, war es aber nicht „Gruzovyje nje moschono snjimatj …“ Aha, er hat ein Problem damit, das sich der danebenstehende Güterzug in meinem Weitwinkelbereich befindet und ich ihn mit ablichte. Nun gut, wirt wollen keine Auseinandersetzung, er zuckt aber ein Ausweis unbekannter Herkunft. Ein Frage erlaube ich mir „Potschemu?“ (Warum?). Er meint, es könnte sich um Benzin oder andere Sachen handeln und verschwindet im Zug. Da die Abfahrt sowieso naht, ärgern wir keinen mehr und steigen schnell ein. Werden wir hier beobachtet?
„So etwas muss man doch durchsagen“
„In einem Touristenzug sollte man schon durchsagen, wenn man einen Fluß kreuzt.“ Da hat jemand nicht aufgepast.“So etwas muss man doch durchsagen!“ Immer noch nicht verstanden. Einige von uns versuchen dem Mann zu erklären, dass er sich hier in keinen Touristenzug eingemietet hatte und dass es allen anderen russischen Fahrgästen als auch dem Personal möglicherweise ziemlich egal ist, ob wir an einem Fluß vorbeifahren oder nicht. Einige von uns haben etwas anderes erwartet. Vielleicht haben Sie die teure Reise mit dem dem Zarengold-Sonderzug mit diesem günstigen Angebot verwechselt. Wie es dem auch sei, jeder hat einen orangenen Transsib Reiseführer vom Reiseveranstalter erhalten und die meisten können auch lesen.
Noch sechs Minuten bis zum Fluss..
Aljona – der Schnakenkiller
Der Zug hält planmäßig in einem Bahnhof. Aljona macht die Tür auf und wundert sich. Kein Bahnsteig – wer kurz aussteigen möchte, muss sich fast herabseilen. Es gibt nicht viel zu sehen. Irgendwann bemerken wir unsere Feinde. Fast zwei Zentimeter groß und ganz leise sind die Schnaken, die sich im Eingangbereich des Waggons gesammelt haben. Irgendwann ist der Halt zu Ende – und eine Menge dieser Tierchen möchte mitfahren und in den Gang zu den Abteilen gelangen. Aljona grieft zum Handtuch, man hört dumpfe Schläge: Sie und räumt auf und tatsächlich, alle Biester sind weg. Aljona ist einfach nur Spitze.
Die Frau, die nicht lacht
Nie hat sie die Miene verzogen. Wir haben gewettet, dass sie nicht lachen kann. So unfreundlich oder überheblich sind fwir ja gar nicht. Bis auf das eine Mal. Da musste sie selber lachen. Sie schiebt einen kleinen Transportwagen durch den Speisewagen und will in den anderen Wagons Getränke und Imbiss verkaufen. Der Wagen quietscht und die Truppe lacht. Sie ahnt, dass sie dies auch in den anderen Wagons erwarten würde, rennt zum Anderen Ende des Wagens und holt eine Zange. Beherzt macht sie sich mit Schenja, der Restaurantcheffin an die Reparatur ran. Der Kellner schaut auch nur zu und wir sind auch überrascht. Nun ja, wenn die russischen Frauen Mädrescher und Traktoren fahren können dann schaffen sie auch eine Mikroreparatur eines Transportwagens. Und es ist auch so, ein erneuter Versuch und der Wagen läßt sich leise durch das Abteil schieben – erneut ertönt ein Applaus und lautes Johlen … und sie lacht.
„Hat er es im Rücken?“
Der Kellner rennt während eines Halts raus und kommt mit einen Großen Tüte. Wir fragen uns, ob man sich auf diese Weise selbst mit Lebensmitteln eindecken muss oder ob dies die reguläre Warenbeschaffung des Speisewagens ist. Er hinkt und läuft etwas schwer, wir überlegen, ob dies ein körperliches Gebrechen oder einfach nur Wodka ist. Die Zeit wird es zeigen.
Streng nach Reiseführer – Schlossvippach läßt grüßen
Den Reiseführer in der Hand und eine Spiegelreflex in der anderen. So bewaffnet hat man eine gute Chance, alle Bahnhofschilder, Brücken und Obeliske am Wegesrand abzulichten.
Die halbnackten Männer mit Handtaschen
Ab und zu laufen durch den Zug junge Männer mit freien Oberkörpern und einer kleiner Handtasche. Zugegeben, für uns wirkt dies etwas fremd. Nackte Oberkörper würde man bei uns in der Gaststätte bestimmt nicht dulden.
Auf dem Bahnhof von Novosibirsk
Kurz vor Novosibirsk- es ist schon dunkel und die Chefin bereits im Schlafanzug – wird sie im Abteil von einem Reisenden gefragt, ob den Novosibirsk die dritt- oder viergrößte Stadt in Russland ist. Eine gute Zeit den Inhalt des Reiseführers auf seinen INhalt anzuklopfen. Alja läßt sich nicht anmerken, steht auf und mischt sich in die Diskussion. Es ist eigentlich gegen eins in der Nacht, aber macht nichts. Der Mann läßt nicht locker. Irgendwann wird der Verfasser des Reiseführers für unfähig erklärt und alle fühlen sich besser.
Nachts in Novosibirsk angekommen
Viel Licht. Ganz viel Licht sehen wir bei der Einfahrt in den Bahnhof von Novosibirsk. Starke Halogenstrahler erleuchten die vielen Gleise und ich freue mich auf Nocoole HDR Fotos. Nichts war es. Das war viellleicht nur der Rangierbahnhof. Das eigentliche Bahnhofsgebäude ist sehr schön, alles blitz und blank. Im Bahnhofsgebäude befindet sich eine grössere Gruppe Jugendlicher und junger Männer. Alle mit großen Taschen, einige mit einem sehr kurzen Haarschnitt. Zuerst denkt man, dass sie zur Armee eingezogen werden. Dafür sprechen die ihre Freundinnen, die vielen um den Hals hängen. „Kuda vy ejete“ fragenb wir. „Novyj Uryngoj“ ist die Anwort, die uns erst später Alja im Zug entschlüsselt. Demnach befinden sich dort Gasvorkommen und so scheidet auch unsere Theorie über Militär schnell aus. Arbeit ist es, die die Jugend in die weite Welt treibt.
Wir machen eine Pyjamaparty
.. wollten wir eigentlich. Da es jedoch schon recht spät ist und vor der Toilette sich eine längere virtuelle Schlange gebildet hatte, beschliessen wird unsere zweite Wodkaflasche mit Mitreisenden aus dem letzten Abteil anzutesten. Sie haben nichts gehen eine Session, „Nascha Wodka“, ein Mitbringsel aus Moskau rutscht schnell in die Kehlen und so kann man sich das Warten auf die Katzenwäsche etwas verkürzen. „Gibt es noch einen oder gehen wir schlafen ..?“ Scheinbar hat er recht gut geschmeckt und wir giessen nach.
Auf nach Krasnojarsk
Alle Hoffen, dass uns dort auf dem Bahnsteig Helene Fischer besucht. Sie stammt schließlich aus Krasnojarsk – was die Frage aufgeworfen hatte, warum gibt es dort Deutsche, besser gesagt Russlanddeutsche. Alja meint, im zweiten Weltkrieg würden viele Familien nach Sibirien verschleppt und mussten dort zwangsarbeiten. Viele sind in Russland geblieben, einige beantragen die Ausreise nach Deutschland ein. In Russland sind es Deutsche und in Deuschland sind es Russen. So wären wir wieder bei Helene F. zurück. Auf dem Bahnhof steht sie aber nicht, schade. Die Stadt macht schon vom Weiten einen angenehmen Eindruck, die Landschaft um Kranojarks ist leicht bergig, wir meinen auch Abfahrtpisten gesehen zu haben. Eine halbe Stunde ist wieder schnell rum und die Fotoaparate werden vorbereitet. Gleich hinter Krasnojarsk überqueren wird den Jenisej, einen breiten Fluß.
Irgendwie sind heute alle leicht neben der Mütze. Das Frühstück wurde bereits um fünf Uhr früh Moskauer Zeit serviert. Einige haben ihre Uhren bereits vorgestellt auf die lokale Zeit von neun Uhr. Auch wir hatten ein Kopfproblem mit dem Aufstehen um diese Zeit, es war ja schon lange hell. Daher HABEN WIR die Uhr um 4 Stunden vorgestellt … so konnten wir bis halb neun schlafen. Alles eine Auslegungssache.
Im Laufe des vierten Tages habe alle scheinbar Probleme mit der langsamen Zeitumstellung. Die Uhrzeiten wurden bereits ganz oder teilweise umgestellt, jeder rechnet dann in einer anderen Zeit. „Abendessen gibt es um vier!“. Wie jetzt, die Sonne ist noch oben, die lokale Zeit ist vier nach sieben. „Also in 50 Minuten“. Okay, das wäre dann also um acht lokaler Zeit. Ein Blick auf den Sonnenstand, trotzdem ist diese langsame Zeitumstellung etwas Ungewöhnliches.
Der Zug hält, die Truppe hat angeblich Blini entdeckt, keiner weißt es genau aber jeder weißt es besser, typisch. Wir nehmen lieber Abstand. schwertObwohl alles sehr lecker aussieht, sind wir froh, dass sich unser Bauch bisher nicht im Kleinsten beschwert hatte.
„Mit oder ohne die Schaffnerin?“
Als wir diese Frage hören, ist uns klar, worum es geht. Es hat sich wieder einer gefunden, der die Trinkgeldfrage gruppenweit klären möchte. wir sind auf diesem Gebiet bereits gebrannte Kinder und vertreten die Meinung, dass es viel einfacher ist, wenn jeder seinen Dank auf seine Art – auch ohne Worte oder in Deutsch mit einer Geste – ausdrücken kann. Mal sehen, wie es diemal abläuft.
Die Sonne geht langsam unter…
„Vielleicht wissen Sie es, es gibt viele Nadelbäume, die sind ober schwarz …“ Jetzt hat Alja, unsere Cheffin, zu tun. Es wird nach einer Einvernehmlichen Lösung gesucht… „Da, sehen Sie, das sind wieder welche!“ Die Suche geht weiter. Die Schweizerin präsentiert eine Lösung, Alja hängt sich der Meinung an. Was bleibt ihr auch übrig. „Haben Sie eigentlich Kinder?“ fragt die Schweizerin, „Ja, einen Sohn, und Sie, haben Sie Kinder?“ Die Schweizerin fühlt sich ertappt:“ Ja, als ich kleiner war. Dann habe ich mir aber gedacht … die werden irgendwann älter…“ Wir schauen uns an. „Da wieder, da gibt es wieder diese Bäume.“ Das Thema ändert sich.“Wissen Sie, wo die Menschen in den Datschen ihre Katroffeln lagern?“ Gute Frage, nächste Frage..
Die Gedanken kreisen langsam um den Abschied von der Bahn. Aufräumen, morgen kein Frühstück, hoffentlich können wir in Irkutsk gleich zum Hotel und unter die Dusche? „Räumen wir auf oder trinken zuerst den Wodka aus?“
Im Speisewagen
„Das Abendessen ist fertig!“ Alle schieben sich in den Speisewagen und möchten die letzte Malzeit einnehmen. Nun sind wir nicht allein. Zwei Doppeltische sind von russischen Jungs und einigen Mädels belegt, auf den Tischen türmen sich Teller, leere Gläser, leergetrunkene Kartons mit Granatapfelsaft, einige Flaschen eines teueren „Absolute Vodka“ und einiges mehr. Der Alkoholspiegel ist hoch, die Gruppe ist laut. Zwei von uns setzen sich hinzu und werden an die Vodka Pipeline angeschlossen, schnell sind 4-5 Gläser getrunken.
Ein Umschlag mit dem Trinkgeld geht herum.
das Essen wird serviert, ein leckeres Hähnchen mit Kartoffeln, die wie immer mit reichlich Butter gereicht werden. Die russische Gruppe wird etwas lauter ..
Unsere Pfarrer steht auf und spricht der Speisewagen-Crew einige Worte des Dankes, Alja übersetzt. Die Russen werden noch lauter. Alja pfeifft sie zusammen. Plötzlich kehr für einige Sekunden etwas Ruhe ein, die Worte des Dankes sind aber trotzdem nicht leicht zu verstehen. Ich schaue mir die Gruppe an und überlege, woher und wohin sie so fahren mögen. Das können wir nach dem Essen erfahren, als wir auch auf einen Wodka eingeladen werden. Die Jungs sind auf dem Weg in die Tajga zur Arbeit. Das Mädel schleppen sie einfach mit, sie fährt zurück nach Cita, wo sie zu Hause ist. Wir können einige Sätze auf russisch wechseln, alle sind sehr überrascht, dass „Inostrancy“ auch russisch können. Ein Pluspunkt für uns und ein Glas Wodka mehr. Das Mädchen fragt uns aus und freut sich, dass jemand den Weg zum Baikal findet. Es wäre wirklich sehr schön dort. Nur das Wasser ist sehr kalt, sie zeigt auf ihre Knie und meint damit, dass man maximal nur die Füße ins Wasser bekommt, es wäre zu kalt. Wir wollen aber mehr.
Die russischen Jungs verschwinden plötzlich in Richtung Schlafabteile, Schenja, die neue junge Speisewagen-Cheffin schnell hinterher. Sie hat sicherlich Bedenken, dass sich hier Jemand aus dem Staub machen will. Die Rechnung beträgt bestimmt einige Tausend Euro, wenn man bedenkt, dass eine Flasche „Absolute Vodka“ etwas 800 Rubel kostet. Sie läßt sich überzeugen, dass die Jungs nur eine Rauchen zwischen den Wagons wollen und ist sichtlich erfreut, als sie die Truppe wieder sieht. Das Ganze wiederholt sich noch zwei mal…
Wir bedanken uns bei Schenja, versuchen bei der Köchin das Rezept für die leckere Suppe mit süß saueren Gurken von gestern zu erfragen.“Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken, Dill ..“ Mehr ist es wirklich nicht und uns wird klar, dass wir es sowieso nicht so lecker hinbekommen.
„Do svidanja“ und „spokojnoj Notchi“ und wir marschieren zu unserem Wagen.
In der Schaffnerkabine sitzt die Aljona und die Schaffnerin aus dem Nebenwaggon. Beide drücken auf einem Handy rum und lachen. Ich nutze den Augenblick. „Djewotschki .. Foto?“ Die beiden überlegen kurz, lachen, legen die Arme umeinander und gönnen mir die Gelgenheit zu einen tollen Foto. So entspannt habe ich sie noch nicht gesehen. Nun möchten Sie das Ergebnis auch sehen. Ich drehe die Kamera bereitwillig zu Ihnen und sie fühlen sich mit dem Ergebnis zufrieden, sowohl die Uniform und als auch die Frisuren sitzen, auch nach einem langen Tag.
Um 11 Uhr ging es heute im Super-Duper Bus (Kompensation für gestern?) zum Gebiet der Burjaten. Die Statue eines burjatischen Reiters zeigt an, dass man deren Gebiet betritt. Begrüßt wurde die Gruppe von einem Burjaten mit seiner Frau in voller Tracht.
Er hatte ein kleines Feuer zu seinen Füßen. Zuerst die Männer, dann die Frauen mussten mit beiden Füßen je einen Kreis über dem Feuer ziehen, um sich zu reinigen. Dann sang die Burjatin ein Willkommenslied. Erst danach durften wir das burjatische Anwesen betreten.
Drinnen standen Burjaten und Burjatinnen in zwei Reihen und wiesen uns den Weg zur Yurtha. Vom Schamanen erfuhren wir viel über die Sitten und Regeln des burjatischen Volkes. Er zeigte mit einem weißbärtigen Gast aus unserer Gruppe, wie sich die Burjaten begrüßen und führte dann das älteste Ehepaar aus unserer Gruppe, dem er burjatische Kleider anzog, auf den Ehrenplatz.
Für uns alle vollführte er eine Zeremonie, die uns Glück auf unseren weiteren Reisen bringen soll. Beim Hinausgehen erklärte er, dass man nicht auf die Schwelle eines Hauses treten darf, da das Unglück bedeutet. (Wir sahen aber dann noch viele ausgetretene Schwellen) Die niedrige Höhe der Eingangstür, bei der jeder sich bücken musste, erklärte er damit, dass man in dieser gebückten Haltung immer Respekt erweist.
Auf dem Hof hörten wir dann burjatische Volkslieder und sahen Tänze. Die verschiedenen Instrumente wurden vorgeführt, eines davon sogar von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet. Einer unserer Gäste durfte sich in einem der drei Hauptsportarten der Burjaten, nämlich im Kämpfen erproben, und bekam für seinen Mut den Titel eines Falken. Die anderen zwei Sportarten sind Reiten und Bogenschießen.
Alle durften zum Abschluss beim Freundschaftstanz mitmachen. Im nebenan gelegenen burjatischen Museum hörten und sahen wir dann noch viel über Leben und Geschichte der Burjaten. Das typisch burjatische Mittagessen wurde von hübschen jungen Burjatinnen serviert.
Bedingt durch den Abendverkehr schafften wir es gerade noch pünktlich zum Abendessen, dieses Mal ein typisches Baikalessen. Hier verabschiedete sich unsere Reiseleiterin. Tatjana, die Chefin der lokalen Reiseagentur, heiterte die Gruppe mit ein paar Witzen auf, bevor sie die Abfahrtszeiten zum Flughafen verkündete.
Es wird ein langer Tag, da wir all die Zeit, d.h. die 7 Stunden, die wir bis Irkutsk verloren haben, morgen wiederbekommen. Unser morgiger Tag wird also 31 Stunden lang. Schade, ein wunderschöner, sehr informativer Urlaub geht zu Ende. Alle sind sich einig, dass jetzt eine Woche Erholungsurlaub am Baikalsee nicht schaden würden.
Ein letztes Mal werde ich mich dann übermorgen aus Deutschland melden.