Urteil zu: Streupflicht Gehweg Glatteis Haftung, welche Versicherungen helfen ?

Beweislast bei Glatteisunfällen auf Gehwegen

 Urteil zu: Streupflicht Gehweg Glatteis Haftung

Das Oberlandesgericht Celle setzte sich ausführlich mit der Beweis- und Darlegungslast bei Glatteisunfällen auf Gehwegen auseinander.

Bei derartigen Fällen spricht ein Anschein dafür, dass die Unfallverletzungen bei Beachtung der Streupflicht hätten vermieden werden können. Notwendig und ausreichend ist es, dass ein Glättezustand im Verantwortungsbereich des Streupflichtigen nachgewiesen wird. Der Verletzte hat daher das Vorliegen einer die Streupflicht begründenden Wetter- und Straßenlage zu beweisen. Der Streupflichtige ist demgegenüber für das Vorliegen einer von ihm behaupteten Ausnahmesituation beweispflichtig, die das Streuen unzumutbar machte.

Die nur im Rahmen des Zumutbaren bestehende Pflicht, bei Schnee- und Eisglätte die Gehwege mit Streugut abzustumpfen, entfällt ausnahmsweise dann, wenn dies zwecklos ist, da sich alsbald wieder Glätte bilden würde. Der Streupflichtige braucht somit nicht tätig zu werden, wenn angesichts der konkreten Wetterlage das Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln nur zu einer unwesentlichen oder ganz vorübergehenden Minderung der dem Verkehr drohenden Gefahren führt, was insbesondere bei Glatteis durch anhaltenden Regen auf gefrorenen Boden gilt. Nach Beendigung der die Glätte verursachenden Niederschläge, ist dem Streupflichtigen eine angemessene Beobachtungs- und Vorbereitungszeit (hier eine Stunde) zuzubilligen. Im Normalfall darf das Ende des (gefrierenden) Regens abgewartet werden, auch wenn hierdurch Glatteis entsteht.

Urteil des OLG Celle vom 27.02.2004
9 U 220/03
OLGR Celle 2004, 208
NJW 2004, 3436

 

Und wer zahlt’s?

Rutschige Wege durch gefrorenes Laub, Schnee und Glatteis – eine ständige Gefahrenquelle für Fußgänger und Radfahrer. Sturzunfälle können zu langwierigen Personen- und Sachschäden führen. Doch wie verhält es sich mit der Räum- und Streupflicht und wer haftet im Fall der Fälle? Ob Glatteisopfer oder Streupflichtiger – hier erfahren Sie mehr zum Thema Gefahrenvorsorge und welche Versicherungen finanziellen Halt geben können:

Wer ist streupflichtig?

Haus- und Grundeigentümer sind für die Sicherheit auf ihren Grundstücken selbst verantwortlich. Wird das Gebäude vermietet, kann der Eigentümer die winterliche Räum- und Streupflicht auf den Mieter übertragen – jedoch mit Einschränkungen: Der Eigentümer bleibt überwachungspflichtig, d.h. er muss sich in regelmäßigen Abständen davon überzeugen, dass der Mieter ordnungsgemäß seiner Räumungspflicht nachkommt. Unterlässt er dies, kann er im Falle von Personen- oder Sachschäden beispielsweise durch Glatteis voll haftbar gemacht werden. Erst wenn erwiesen ist, dass der Eigentümer seiner Überwachungspflicht nachgekommen ist, kann in nächster Instanz der Mieter für etwaige Unfallfolgen haftbar gemacht werden.

Wann muss gestreut werden?

Die Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter muss in jedem Fall im Mietvertrag festgelegt sein – eine Erwähnung in der Hausordnung genügt keineswegs. Im Vertrag ist in der Regel auch aufgeführt, wann und wie der Mieter zu räumen und zu streuen hat: Grundsätzlich muss an Werktagen ab 7 Uhr morgens für sichere Gehwege gesorgt werden, an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr. Die abendliche „Räumungssperrstunde“ beläuft sich täglich auf 20 Uhr – an Orten mit spätem Publikumsverkehr wie etwa Restaurants, Theater, Kneipen usw. kann sich die Pflicht zur Gefahrenvorsorge auch bis in die späteren Abendstunden erstrecken. Berufliche Abwesenheit entbindet im Übrigen nicht von der Räum- und Streupflicht: Wenn Sie tagsüber unterwegs sind, müssen Sie sich rechtzeitig um eine Vertretung kümmern!

Wie muss gestreut werden?

Für das Räumen und Streuen ist eine Gehwegbreite von etwa 120 Zentimetern Breite ausreichend, so dass zwei Fußgänger gefahrlos aneinander vorbeigehen können. Dies gilt übrigens auch für Zufahrtswege vom Garten zur Haustüre, sowie für Treppen und Durchgänge. Gestreut werden darf mit Sand, Granulat oder Rollsplit – Salz sollte wegen seiner Umweltschädlichkeit nicht verwendet werden. Ferner muss der Streupflichtige regelmäßig prüfen, ob das Streugut noch seine Wirkung behält und gegebenenfalls „nachlegen“. Das gilt auch bei andauerndem Schneefall oder Eisregen, solange die Rutschgefahr zumindest verringert werden kann. Nur bei extremer Wetterlage, die selbst wiederholtes Streuen wirkungslos macht, entfällt zeitweise die Streupflicht.

Unfallopfer durch Glatteis – was nun?

Entsteht ein Rutschunfall etwa durch Glatteis, muss zunächst geklärt werden, ob überhaupt Ansprüche geltend gemacht werden können. Schadensersatz und Schmerzensgeld können nur unter zwei Bedingungen gefordert werden: Der Streupflichtige hat nachweislich gegen seine Streupflicht verstoßen und es liegt „allgemeine Glätte“ vor – bei stellenweiser Glättebildung besteht noch keine Streupflicht. Gefährliche Stellen, an denen sich auch ohne die entsprechende Wetterlage Glätte bilden kann, sind davon ausgenommen. Für Glatteisopfer gilt daher als erstes: Beweise sammeln! Sorgen Sie dafür, dass unverzüglich Fotos von der Gefahrenstelle gemacht werden, ermitteln Sie Zeugen des Unfalls und besorgen Sie sich Wetterberichte rund um die Unfallzeit. Auch ein ärztliches Attest über mögliche Unfallfolgen ist wichtig: Stürze sind häufig mit einem Verdienstausfall oder einem Haushaltsführungsschaden verbunden. Neben akuten Prellungen oder Knochenbrüchen können außerdem Spätfolgen auftreten, die zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führen. Ein Attest ist hier bares Geld wert.

Wofür haftet der Streupflichtige?

Wer seiner Räum- und Streupflicht nicht nachkommt, muss die vollen Konsequenzen tragen, wenn dadurch ein Unfall entsteht. Hier können im Groben drei Haftungskategorien unterschieden werden: Der Streupflichtige haftet für materielle Schäden des Opfers wie Arzt- und Krankenhauskosten, für Sachschäden wie zerrissene Kleidungsstücke, sowie für Kosten durch einen Verdienstausfall oder Rechtsstreit. Punkt zwei betrifft sogenannte „immaterielle“ Schäden: Hierzu zählen der Haushaltsführungsschaden und das Schmerzensgeld. In dritter Instanz muss der Unfallverschulder mit strafrechtlichen Folgen wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen.

Welche Versicherungen helfen weiter?

Private Haftpflichtversicherung

Bestimmt können Sie sich vorstellen, dass eine zu zahlende Strafe im Vergleich zu den Summen, die allein durch ärztliche Behandlungskosten entstehen, das kleinere Übel ist. So kommt es, dass Streupflichtige bei einem schwerwiegenderen Unfall schlagartig vor dem finanziellen Ruin stehen. Trotz solch enormer Alltagsrisiken verfügen nur 40 Prozent der deutschen Haushalte über die wichtigste aller freiwilligen Versicherungen: die private Haftpflicht. Schon für wenige Euro im Monat springt sie bei Schäden im Privatbereich ein – bei selbstgenutzten Privatobjekten sichert sie beispielsweise das Risiko als Streupflichtiger in der Regel voll ab. Handelt es sich hingegen um eine Organisation, so muss das Risiko mit einer Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt werden, bei vermieteten Objekten ist eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung erforderlich.